Aus der ZKM

Mediation als ESG-Maßnahme und Beitrag zu nachhaltiger Unternehmensführung (Insam, ZKM 2024)

Ab 2024 sind Unternehmen zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESG Reporting) verpflichtet. Der Beitrag untersucht, ob und wie Unternehmen durch die Integration von Mediation als Konfliktmanagementverfahren ihre ESG Berichterstattung verbessern und gleichzeitig ihre Geschäfts- und Personalstrategie nachhaltig umsetzen können.


A. Einführung in das ESG Reporting

I. Von ESG zu ESG Reporting (CSRD) zu einheitlichen Standards (ESRS)

II. Die Berichtspflichten zum „S“ von ESG im Einzelnen

B. Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsbedingungen durch Mediation

I. Gesundheitsgefährdung durch Konflikte am Arbeitsplatz

II. Präventives Konfliktmanagement durch Mediation

III. Mediation als Schlüsselkompetenz für Führungskräfte und Betriebspartner

C. Mediation als Maßnahme zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie

D. Zusammenfassung der Wirksamkeit von Mediation aus ESG Perspektive

I. Mediation ist messbarerer Gesundheitsschutz

II. Mediation senkt wirtschaftliche Konfliktkosten

III. Mediation als Wettbewerbsvorteil

IV. Mediation zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien


A. Einführung in das ESG Reporting

I. Von ESG zu ESG Reporting (CSRD) zu einheitlichen Standards (ESRS)


In der sich stetig wandelnden Landschaft aktueller Trends gibt es solche, die nur vorübergehend aufblühen, während andere sich als dauerhafte Paradigmen etablieren. Eines dieser anhaltenden Themen ist die Thematik rund um ESG. Doch was verbirgt sich hinter diesem Kürzel? ESG steht für Environmental, Social und Governance und repräsentiert einen umfassenden Ansatz für nachhaltige Unternehmensführung.

ESG bezieht sich somit auf eine Reihe von Kriterien, die von Investoren und Unternehmen verwendet werden, um die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeiten zu bewerten. Investoren berücksichtigen diese ESG-Kriterien, um nachhaltige und verantwortungsbewusste Anlageentscheidungen zu treffen. In der EU hat die Finanzmarktkommissarin Mairead McGuiness in ihrer Keynote-Rede auf der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) Conference im Jahr 2022 den Anspruch verkündet, dass Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung gleichermaßen wichtig sein sollen.

Die EU Kommission hat mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erstmals einheitliche und verbindliche Maßstäbe für die nichtfinanzielle Berichterstattung geschaffen, die ab dem Geschäftsjahr 2024 Schritt für Schritt Einzug in die Unternehmenswelt halten. Diese sog. nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungs- und Rechenschaftspflichten verpflichten Unternehmen, in einem Bericht offenzulegen, welche Auswirkungen ihr Wirtschaften auf Umwelt und Gemeinschaft hat und welche Maßnahmen ergriffen werden, um positive Auswirkungen zu erreichen. Dabei gibt es insgesamt 12 Sektoren übergreifende ESRS, davon zehn zu den jeweiligen ESG-Aspekten und zwei weitere themenübergreifend.

Der vorliegende Beitrag beleuchtet vor allem die Auswirkungen auf das „S“ von ESG.

Im sozialen Kontext des „S“ beinhaltet ESG die Verantwortung von Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft im Allgemeinen. Dazu gehören Fragen der Arbeitspraktiken, Vielfalt (Diversity) und Inklusion am Arbeitsplatz, Gesundheits- und Sicherheitsstandards sowie die Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften. Unternehmen werden zunehmend dafür bewertet, wie sie soziale Herausforderungen angehen und positive Veränderungen in ihrem Umfeld bewirken.

Darüber hinaus umfasst ESG auch Umwelt- und Governance-Faktoren. Umweltbelange beinhalten die Auswirkungen auf die Umwelt, von Treibhausgasemissionen bis hin zur Nutzung erneuerbarer Ressourcen. Governance betrifft die Unternehmensführung und -struktur, einschließlich ethischer Standards, Transparenz und Korruptionsbekämpfung.

Neben der Relevanz für Investoren und bei der Kapitalbeschaffung ist ESG auch ein aufsichtsrechtliches Thema. Eine Vielzahl von weiteren (europäischen) Vorgaben verpflichtet Unternehmen zur Nachhaltigkeit. So werden Unternehmen durch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz entlang ihrer Lieferkette dazu verpflichtet, soziale Mindeststandards und Menschenrechte zu bewahren.

II. Die Berichtspflichten zum „S“ von ESG im Einzelnen

Beachtenswert ist bei der sog. S-Säule von ESG zunächst, dass bislang keine sog. soziale Taxonomie der EU existiert. Diese wird nach wie vor entwickelt. Mit weiteren Regelungen und Gesetzen zu sozialen Standards in den nächsten Jahren ist daher zu rechnen.

Im Rahmen der ESRS gibt es neben den beiden allgemeinen Standards vier spezielle Standards, die ESRS S1-S4:

Die ESRS S1 erfassen die eigene Belegschaft bei der Berichterstattung, während die ESRS S2 die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette (sog. value chain workers) adressieren. Daneben erfasst ESRS S3 sog. betroffene Gemeinschaften, d.h. im deutschen Verständnis „Anrainer“, die keine Arbeitskräfte sind. ESRS S4 betrifft die Verbraucher und Endnutzer, d.h. die Konsumenten.

Als offenzulegende Maßnahmen werden u.a. Gesundheitsschutz und Prävention aufgezählt. Gesundheitsschutz umfasst dabei nicht nur die physische Gesundheit und die Arbeitsplatzsicherheit, sondern auch die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden. Dabei sind die Unternehmen nach den ESRS verpflichtet, alle „meldepflichtigen arbeitsbedingte Verletzungen und Erkrankungen“ offenzulegen sowie Angaben zu Gesundheitsmanagement- und Sicherheitssystemen zur Verfügung zu stellen. Klassischerweise sind das Maßnahmen zur Ergonomie oder zur Arbeitsplatzsicherheit. Nach ESRS S1.AR92 fallen explizit auch psychische Erkrankungen darunter, die ihren Ursprung im Arbeitsumfeld haben bzw. aus „arbeitsbedingten Gefahren“ resultieren.

Zudem sind in den Offenlegungsberichten Schulungen, Policies und Kompetenzentwicklungen aufzuführen (ESRS S1-12). Diese enthalten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die zur kontinuierlichen beruflichen Weiterentwicklung angeboten werden.

Interessant ist, dass die Praxisbeispiele der ersten ausführlichen Kommentierung der ESRS12 immer wieder Schulungen und Audits als Maßnahmen hervorheben, die Perspektive des Konfliktmanagements gerade durch Mediation allerdings vermissen lassen, ebenso wie der Text der ESRS selbst, der seit Dezember 2023 auch auf Deutsch verfügbar ist.

Dabei ist die Mediation vermutlich das nachhaltigste aller Konfliktbearbeitungsverfahren und gerade durch seine Systematik besonders gut geeignet, als Maßnahme zum Schutz der Arbeitsbedingungen zu fungieren. Dieser These wird im Folgenden nachgegangen.

B. Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsbedingungen durch Mediation

I. Gesundheitsgefährdung durch Konflikte am Arbeitsplatz


Wie oben festgestellt, haben Unternehmen psychische Erkrankungen, die aus dem Arbeitsumfeld resultieren, offenzulegen. Es ist den Unternehmen also viel daran gelegen die Anzahl an Erkrankungen möglichst gering zu halten.

Ein großer Faktor bei der psychischen Gefährdung von Arbeitnehmern sind unbearbeitete Konflikte. Diese sind ein Hauptgrund für Erschöpfungserkrankungen wie Burnout, Depressionen, Angst- und Panikstörungen und andere (stressbedingte) psychische und psychosomatische Krankheiten. In Folge leidet die Belastbarkeit und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden.

In der dynamischen Arbeitswelt sind Konflikte auf horizontaler Ebene zwischen Kollegen sowie in vertikaler Richtung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden die Regel und nicht die Ausnahme. Diese Konflikte wurzeln oft in komplexen zwischenmenschlichen Dynamiken, die von individuellen Charakteren, der räumlichen Enge des Büros oder der Entgrenzung durch mobile Arbeit und hierarchische Strukturen beeinflusst werden.

Auch Diversität und unconscious Bias, die bei ESG gerade im Fokus stehen, sind zunächst geeignet, Konflikte am Arbeitsplatz zu vermehren und zu verstärken. In einem Büro, in dem unterschiedliche Persönlichkeiten, Generationen, Arbeitsstile und Arbeitsmuster aufeinandertreffen, treten jeden Tag zwischenmenschliche Spannungen auf. Diese können schnell zu Konflikten führen, die ohne angemessene Konfliktlösungsstrategien das Arbeitsklima nachhaltig belasten können.

Des Weiteren sorgt der Wettbewerb um begrenzte externe Ressourcen, wie den Fach- und Führungskräftemangel sowie um begrenzte interne Ressourcen, wie Beförderungen oder Gehaltserhöhungen, für ein fruchtbares Konfliktklima.

Schließlich nehmen in der aktuellen Transformation der Wirtschaft zur Bewältigung der Energie- und Klimakrise strukturelle Konflikte zu.

Im Gegensatz zu interpersonalen Konflikten beziehen sich strukturelle Konflikte auf Konflikte, die in den Strukturen, Prozessen oder Systemen einer Organisation verankert sind. Strukturelle Konflikte sind von den handelnden Personen unabhängig und wiederholen sich selbst, wenn frustrierte Führungskräfte und Mitarbeitende das Unternehmen verlassen.

All diesen Konfliktursachen ist gemein, dass ihre nachträgliche Bearbeitung für die Unternehmen wirtschaftlich und personalpolitisch nur „second best“ ist. Prävention ist daher die wichtigste Maßnahme und erste Wahl.

Die präventive Herangehensweise an Konflikte unterstreicht die Bedeutung von klaren Kommunikationsstrukturen, Transparenz und der Entwicklung von zwischenmenschlichen Fähigkeiten auf allen Ebenen der Organisation. Die Führungskraft befindet sich ein einer Schlüsselposition dafür.18 Nur durch proaktives Handeln können Unternehmen ein gesundes Arbeitsumfeld schaffen. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.03.2024 14:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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